Am 15. Januar 2014 reisten Vertreter der Musikgruppen des Gymnasiums Lehrte und des Gymnasiums Alfeld nach Hildesheim, um den Vincentinerinnen die Spenden der letztjährigen Weihnachtsmusiken zu überreichen. Die beiden Schulen hatten für das Waisenhaus in Trujillo/Peru, das von den Hildesheimer Schwestern geführt wird, die stolze Summe von 5.500 Euro gesammelt.
Die zwölf SchülerInnen des Gymnasiums Lehrte und die Musiklehrerinnen Ane Kristin Holmer, Sabine Reich und Lucie Schäfer fuhren mit Bus und Bahn zum Mutterhaus Bernwardshof in Himmelsthür. Dort wurden alle begrüßt und mit Getränken, Keksen und Schokolade willkommen geheißen. Schwester Christiana und der Finanzverwalter Matthias Schwarze (Sarstedt) berichteteten sehr anschaulich über ihre Erlebnisse in Peru und über die soziale, problematische Lage der Waisenkinder in Trujillo. Zur Zeit bietet das Waisenhaus 58 Mädchen ein Zuhause. Allen Beteiligten wurde für die großartige finanzielle Unterstützung aufs Herzlichste gedankt.
Wir geben an dieser Stelle allen Spenderinnen und Spendern und den vielen musikalisch Beteiligten den Dank weiter und freuen uns, dass wir die Not der Waisenkinder in Trujillo ein wenig lindern konnten!
Ane Kristin Holmer
Artikelfoto: Auf einer Landkarte zeigt Schwester Christiana den Schülern, wo in Peru die einzelnen Hilfsprojekte angesiedelt sind. Trujillo liegt ganz im Norden, nicht weit entfernt von der Pazifikküste.
Der folgende Artikel wurde am 22.01.2014 in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung veröffentlicht:
Ein eigenes Bett ist schon das Paradies
Vinzentinerinnen kümmern sich in Peru um Straßenkinder – Schüler musizieren und spenden 5564 Euro
Hildesheim (ba). Schwester Bernwarde bekommt noch immer leuchtende Augen, wenn sie von Alcides Mendoza Castro, dem Erzbischof von Cuzco, erzählt. 50 Jahre ist es her, dass die Novizin während des Zweiten Vatikanischen Konzils dem jungen Bischof aus dem fernen Peru begegnete. Dem Charme des charismatischen Glaubensbruders ist damals aber auch Hildesheims Bischof Heinrich Maria Janssen erlegen: Nach einigem Zögern gab er Bischof Mendozas Drängen nach und willigte ein, drei Vinzentinerinnen nach Lima zu entsenden.
Die Schwestern wurden 1967 zur Keimzelle für ein Hilfsprojekt, das bis heute besteht und bereits Hunderten von Straßenkindern die Chance auf ein besseres Lehen gegeben hat. Heute sind in Peru vier deutsche und 30 peruanische Schwestern in sechs Niederlassungen überall im Lande tätig. Sie verteilen Essen und Kleidung, leisten medizinische Hilfe, bieten Schulunterricht an und geben seelischen Beistand. Und dennoch, sagt Schwester Ursula-Maria, die in Lima arbeitet, erscheine das Ausmaß des Leids beinahe grenzenlos, sei das Elend manchmal nur schwer zu ertragen.
Um es wenigstens ein wenig zu lindern, gibt es seit 1977 einen kleinen Förderverein, der in Deutschland Geld für die ver schiedenen Peru-Projekte der Vinzentinerinnen sammelt. “Das Geld geben wir eins zu eins weiter. Verwaltungskosten haben wir nicht”, versichert Schwester Christiana, die sich gemeinsam mit Matthias Schwarze um das Missionswerk der Barmherzigen Schwestem kümmert. Schwarze ist über seinen Gemeindepfarrer vor acht Jahren eher zufällig auf das Projekt aufmerksam geworden – inzwischen lässt es ibn nicht mehr los.
Anschaulich berichtet er nun Kindem vom Gymnasium Alfeld und vom Gymnasium Lehrte, die in das Mutterhaus im Hirnmelsthürer Bernwardsbof gekommen sind, über seine Reisen. Beide Schulen hatten im Advent Weihnachtsmusik aufgeführt und um Spenden für das Kinderheim in Trujillo gebeten. 3414,08 Euro kamen bei zwei Konzerten in Alfeld zusammen, 2150 Euro bei einem Konzert in Lehrte. Dass die Schüler gerade auf dieses Heim aufmerksam geworden sind, hat einen einfachen Grund: Das Lehrer-Ehepaar Anne Kristin Holmer (Lehrte) und Werner Nienhaus (Alfeld) hatte die Einrichtung vor einigen Monaten selbst besucht und war von der Arbeit der Vinzentinerinnen überwältigt. Zudem haben sie, wie 450 andere auch, die Patenschaft für ein Kind in Peru übernommen.
Nun hängen die Schüler, die als Sänger und Musiker die beachtliche Spende von 5564,08 Euro überbaupt erst möglich gemacht haben, an den Lippen von Matthias Schwarze und hören aufmerksam zu, wie er von winzigen, trostlosen Hütten in den Armenvierteln erzählt. “Die Hütten haben keinen Fußboden, deshalb ist alles voller Staub. Vor den Fensteröffnungen hängen blaue Müllsäcke, die kaum Licht hereinlassen.” Toiletten gebe es nicht, das Trinkwasser sei ekelerregend schmutzig. „Ich weiß gar nicht, wie man das alles auf Dauer aushalten kann.”
In einer dieser Hütten lebe ein junges Mädchen, das offenbar taub war und sich nur mit ein paar Gebärden verständigen konnte. Schwarze hatte eine Idee, brachte aus Deutschland ein gebrauchtes Hörgerät mit. Was niemand geahnt hatte: Das Mädchen war nicht taub, sondern nur extrem stark schwerhörig. “Jetzt fängt sie mit 19 Jahren an, die Sprache zu erlernen“, freut sich Schwarze.
In Peru gebe es praktisch keine sozialen Sicherungssysteme, kein Gesundheitssystem, das Arme sich leisten könnten. Wer abseits der Gesellschaft steht, hat kaum eine Chance, dem Elend zu entfliehen. Die Preise für viele Dinge des täglichen Lebens seien höher als in Deutschland, Schule und Ausbildung kosten Geld – mehr Geld, als sich dieärmsten Familien jemals leisten könnten. Deshalb gebe es Frauen, die schon ihre Neugeborenen aus purer Verzweiflung aussetzen oder ihre Kinder der Straße überlassen, wo sie im Müll nach Essbarem wühlen müssen. Der Weg in die Kinderprostitution sei dann manchmal nicht mehr weit. 1971 weihten die Vinzentinerinnen deshalb das Kinderheim “Haus der Göttlichen Vorsehung” in Trujillo im Norden des Landes ein, das sich ausschließlich über Spenden finanziert. 60 bis 80 Kinder leben hier in sauberen, kleinen Zimmern mit eigenem Bett – was für Straßenkinder allein schon ein kleines Wunder sei, denn als sie noch in der Gosse lebten, blieb ihnen oftmals nicht mehr als ein Erdloch, in das sie sich nachts verkriechen konnten.
Die jüngsten Heimkinder sind wenige Monate alt, die ältesten machen gerade eine Ausbildung, lernen je nach Neigung ein Handwerk, einen Büroberuf oder studieren, damit sie später auf eigenen Beinen stehen können. “Für die Heimkinder ist es, als wären sie ins Paradies gekommen.” Dabei, macht Schwarze klar, seien die Kinder in Peru keinen Deut anders als Kinder in Deutschland. Auch sie träumten von einer Playstation, einem Laptop oder einem Smartphone, Dinge eben, die sie aus der Werbung kennten. Nur leisten können sie sie sich nicht. „Wer einen USB Stick mit einem Gigabyte hat, ist hier schon der König.”
Mit wie wenig Kinder dort glücklich zu machen sind, schildert Schwarze am Beispiel der kleinen Isabelle. Sonst habe die muntere Vierjährige stets ein loses Mundwerk. Als ihr Schwarze ein Playmobil-Figürchen schenkte, habe sie vor Freude kein Wort mehr herausgebracht – und sei mit dem Geschenk für den Rest des Tages glückselig entschwunden. Die beiden Bischöfe, die das Projekt einst ins Lehen gerufen haben, leben längst nicht mehr. Doch ihre Vision einer besseren Welt wird in den Häusern der Vinzentinerinnen noch immer ein wenig Wirklichkeit.