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Theater-AG besucht „I Capuleti e I Montecchi“

Die Oper „I Capuleti e I Montecchi“ ist eine neue Auffassung aus Erzählungen von der berühmten Tragödie „Romeo und Julia“ aus dem 16. Jahrhundert. Die Inszenierung beschäftigt sich mit den letzten 24 Stunden vor Romeos Tod. In dieser Version steht der Konflikt zwischen den Familien im Vordergrund. Dies lässt der Titel schon erahnen, da er übersetzt „Die Capulets und die Montagues“ heißt. Wer sich etwas mit dem berühmten Drama auskennt, weiß, dass dies die Familiennamen von Romeo und Julia sind. Dadurch, dass der Konflikt der Familien im Vordergrund steht, ist Giulietta (Julia) zwischen ihrer Familie und ihrer unsterblichen Liebe Romeo hin und her gerissen, da Romeo ihren Bruder erschossen hatte. Auch wenn der Grund des Konfliktes zwischen den beiden Familien längst vergangen ist, herrscht ewiger Hass zwischen ihnen.

Die Liebe zwischen Romeo und Giulietta wirkt teilweise absurd und aussichtslos, da sich Giulietta nicht zwischen ihrer Liebe und der Familie entscheiden kann. Des Weiteren sollte Giulietta am Anfang noch mit Tebaldo verheiratet werden, wodurch in Romeo ein Fluchtinstinkt geweckt wird und er einen Koffer für sie packt, um mit ihr zu fliehen. Dieser Koffer wird aber von Giulietta ausgepackt. Nachdem Romeo dem Vater von Giulietta ein Friedensangebot vorgeschlagen hat, um ihre Liebe zu retten, wird dies mit einer Kriegserklärung erwidert. Daraufhin kommt Lorenzo in der Geschichte ins Spiel. Dieser gab Giulietta einen Schlaftrunk, sodass sie für tot erklärt wurde, um nach dem Erwachen mit Romeo zu fliehen. Doch als Romeo die angeblich tote Giulietta vorfindet, ist er so tief erschüttert, dass er beschließt, sich selbst zu vergiften. Als Giulietta wieder aufwacht, ist es bereits zu spät, Romeo ist schon dem Tode geweiht. Es folgt das wunderschöne Abschieds/Schlussduett, bis Romeo schließlich stirbt und Giulietta geht.

Es ist auffällig, dass die Eltern von Giulietta eher veraltete Kleidung aus der Renaissance Zeit tragen, die vermutlich repräsentieren soll, dass sie noch weiter in dem Konflikt der Vergangenheit leben. Jeder Familie ist eine Farbe zugeordnet. Die Farbe von Romeos Familie ist Orange und die von Giulietta ist blau. Die Mutter von Giulietta sticht dabei raus, da sie rot trägt. Giulietta trägt dagegen ein modernes, lila farbenes, aus Plisseerock und Hoodie bestehendes Kostüm. Romeo trägt im ersten Akt ein goldenes Hemd und eine weiße Stoffhose mit einem weißen Blazer. Zum zweiten Akt werden der Blazer und die Stoffhose gegen eine Cargohose im Tarnmuster ausgetauscht. Hieran kann man gut Romeos Einstellung erkennen. Im ersten Teil der Oper trägt er weiß als Versuch des Friedens, und im zweiten Teil geht er wieder Richtung Krieg. Lorenzo trägt eine grüne Hose und ein beiges Oberteil, also sehr unparteiische Farben.

Das Bühnenbild wechselt hauptsächlich zwischen einem Zimmer (vermutlich Giuliettas), welches vom Krieg geprägt ist und einem Paradies, welches teilweise an einen Jungle erinnert. Von diesem Paradies ist ein Bild in dem Zimmer zu entdecken. Dieses Paradies repräsentiert die Hoffnung Giuliettas, sodass sie während des Stückes versucht, dieses Bild zu beschützen. Nach ihrem vorgetäuschten Tod befind sich Giulietta für kurze Zeit in diesem Paradies.

Für den damaligen jungen Komponisten Vincenzo Bellini war diese Oper ein großer Meilenstein seiner Kariere. Sein Stil repräsentiert sich vor allem in den langen Gesangspassagen. Im Gegenteil dazu ist die Musik marschartig und schnell, was die Kampflust der Capulets und Montagues widerspiegelt. Diese marschartigen Teile schließen sich an lange ruhige Musikpassagen an, welche den Frieden repräsentieren. Die Sänger haben trotz ihres jungen Alters großartig gesungen. Die Hauptsängerinnen sind stimmlich sehr dicht beieinander, da Romeo, gesungen von der Niederländerin Nina van Essen, als Hosenrolle Mezzosopran singt, wodurch er sich von den anderen Männern in Giuliettas Leben klar abtrennt. Dadurch, dass Giulietta, dargestellt von Meredith Wohlgemuth, Sopran singt, sind sie einander näher als Giulietta allen anderen Männern in ihrem Leben ist. Die klare Tenorstimme von Marco Lee als Tebaldo kam besonders schön im Duett mit Romeo rüber. Auch die Bassstimmen von Daniel Eggert als Capellio und Markus Suhikonen als Lorenzo waren extrem schön anzuhören. Insgesamt kann man nur sagen, dass die Musik unter der Leitung von Andrea Sanguineti einfach ein Traum war.

Der Besuch in der Oper am 22.11.2023 war ein sehr schöner und auch bedeutender, insbesondere dadurch, dass die Geschichte durch die momentanen Kriege auch wieder sehr aktuell geworden ist. Abschließend kann man nur noch sagen, dass die Staatsoper Hannover mal wieder eine hervorragende Inszenierung hervorgebracht hat, die mit dem offenen Ende auch einen Hoffnungsschimmer für unsere aktuelle Welt zeigt. (Lea und Tiara- Theater-AG)

Die Mitglieder der Theater-AG

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I Capuleti e i Montecchi – Eine zweite Rezension

Die tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia ist wohl eine der bekanntesten Romanzen aller Zeiten. Das wird es wohl umso schwerer machen, den Stoff auf eine immer wieder neue Art und Weise künstlerisch zu behandeln. Da kommt Vincenzo Bellini zur Rettung. Seine Oper, I Capuleti e I Montecchi, arbeitet nämlich nicht mit der bekannten Shakespeare-Fassung, sondern mit einer eigenen Variation der Geschichte. Warum dies in Kombination mit der neuen Inszenierung der Staatsoper ein wirklich sehenswertes Erlebnis war, hatte viele Gründe.

Unsere Oper beginnt im Krieg. Wo genau wissen wir nicht, auch nicht um was es geht, oder warum überhaupt angefangen wurde zu kämpfen. So genau scheint das die beiden Parteien auch nicht mehr zu interessieren. Das sind auf der einen Seite die Capuletti (Capulets), angeführt vom Prinzen Romeo, auf der anderen die Montecchi (Montagues), geleitet vom Vater unserer Julia, die bei Bellini Giulietta heißt. Vor Beginn der Handlung hatte Romeo den Bruder Julias ermordet, nun schwören die Capulletis, insbesondere deren Feldherr, Tebaldo, Rache. Dieser wirbt gleichzeitig um die Hand Giuliettas, die ihm vom Vater im Handumdrehen (und natürlich ohne Nachfrage bei der Tochter) versprochen wird. Blöd, da Giuletta doch eigentlich Romeo liebt. Die Aussichtslosigkeit ihrer Situation bringt sie dazu, immer mehr in ihre eigene Fantasiewelt zu entfliehen.

Die Handlung läuft unaufhaltsam weiter, und obwohl der Weg ein anderer als der bekannte ist, bleibt das Ende der Tragödie doch gleich: Giulietta täuscht durch einen Schlaftrank den Tod vor, Romeo erdolcht sich vor Trauer, und so weiter und so fort. Obwohl: so gleich nun auch wieder nicht. Den Giulietta kann vor Romeos Tod noch ein letztes Mal mit ihm reden, und findet in der hannoverschen Inszenierung sogar den Mut, auch ohne ihn weiterzuleben. Kurz vor dem Schlussakkord entflieht sie dem Konflikt und lässt die streitenden Familien und den Krieg hinter sich, um neu zu beginnen.

Die Oper ist nicht nur wegen der abgeänderten Fassung des Stoffes interessant, sondern auch für ihren Romeo. Denn bei Bellini ist er eine Hosenrolle; der männliche Charakter wird von einer Sängerin gespielt. Das bietet sehr interessante neue Perspektiven auf den Stoff, und zwar nicht nur musikalisch. Denn die Inszenierung versucht nicht, Romeo trotz weiblicher Besetzung als eindeutig männlich darzustellen; er wirkt eher androgyn. Durch dieses Spiel mit Geschlechterrollen und dem damit verbundenen Verfremdungseffekt hinterfragt man die Geschlechterrollen, die hinter der Geschichte stecken, und gewinnt vielleicht eine neue Perspektive.

Man hätte hier natürlich auch Romeo ganz als Frau darstellen können um zu kritisieren, dass sich die Inszenierung hier einfach nicht wirklich entscheiden kann. Das ist zwar nachvollziehbar, und man hätte die Beziehung ja auch offen lesbisch darstellen können, anstatt den “sicheren” Mittelweg zu bestreiten. Vielleicht kann man aber Romeo ja auch als non-binär lesen; dann hätten wir wieder eine queere Sichtweise. Mich hat es auf jeden Fall nicht gestört. Die Ambiguität, mit der die Inszenierung spielt, kann ja auch an sich als Kommentar verstanden werden, und die Herausforderung, selbst über die Thematik reflektieren zu müssen, als gewollt. So oder so ist es eine sehr gelungen gestaltete Figur.

Und wo wir gerade bei den Hauptcharakteren sind: auch die Rolle der Julia gelingt ganz exzellent. Sie wird gleichzeitig als verletzlich und allein, aber auch als ganzer Mensch, überzeugt und willensstark dargestellt und phantastisch geschauspielert. Allein schon der Fakt, dass sie hier der Mord ihres Bruders durch Romeo beschäftigt, was durch ihre auf der Bühne ausgespielte Gedankenwelt klar wird, macht sie zu einer komplexeren und realeren Figur, als es je bei Shakespeare der Fall war. Dort betrauert sie den Tod ihres Bruders nur für eine halbe Szene. Dies und noch viele andere Dinge zeichnen eine sehr zerrissene und komplizierte Figur glasklar und empathisch ab, und das stärkt auch die Darstellung ihrer Beziehung zu Romeo, die durch ihren vollständig ausgearbeiteten Charakter unglaublich glaubwürdig und mitreißend gelingt.

Und vor allem ihre Flucht am Ende der Oper gibt ihrem Charakter die Gerechtigkeit, die ihr über die Jahrhunderte in anderen Inszenierungen immer wieder verwehrt blieb. Endlich kann sie nach dem Tod Romeos ihr Schicksal selbst weiter bestimmen, und ihr Entkommen ist am Ende einer düsteren und mitreißenden Geschichte ein heilender Lichtblick.

Neben Romeo und Julia gelingen auch die Nebenrollen, wie zum Beispiel Tebaldo, der trotz seiner kriegerischen Rolle mit relativ wenig Bühnenpräsenz als entwickelte Rolle dargestellt wird. Jeder auf der Bühne wirkt wie ein ausgearbeiteter Mensch, und am Ende bemitleidet man sie alle für den Krieg, in dem sie gefangen sind.

Die Aufführung wird aber nicht nur von der Handlung und der schauspielerischen Leistung getragen, sondern auch von dem teils bedrückenden, teils wunderschönen Konzept hinter Kostüm und Bühnenbild.


Erst einmal: Die Oper ist extrem farbig gestaltet. Alle Capulettis tragen violett, alle Montecchi gelb, und Lorenzo, der Kammerdiener, der als einziger wirklich zwischen den Fronten steht, ist in grün gekleidet.

(Auch sein Charakter ist übrigens interessant gestaltet; er erscheint zwar als der einzige Freund, den Romeo und Julia haben, doch erzählt er Romeo nichts vom Schlaftrunk, welchen er Julia übergibt, damit diese ihren eigenen Tod vortäuschen kann. Ob dies absichtlich war, bleibt dem Publikum überlassen.)

Die Welt, vor welcher sich diese Figuren bewegen, bleibt jedoch grau und trostlos, es sei denn Giulietta hat eine Chance, für ein paar Momente in ihre heile Fantasiewelt zu entkommen. Dann verwandelt sich die Bühne, und warmfarbige und bunte Ausschnitte aus einem Gemälde von Jan Bruegel dem Älteren kreieren einen hinreißenden Kontrast zwischen Vorstellung und Realität.

Hier trifft die Inszenierung aber auch auf ihren einzigen Stolperstein. Es scheint nämlich in der Oper so, als ob der Krieg zwischen Capuleti und Montecchi als durchweg sinnlos dargestellt werden soll. Es gibt keinerseits Helden, keine noblen Beweggründe, keinen Bösewicht, nur sinnlose gegenseitige Zerstörung. Keiner der Familien hat hier Recht.

Und dann impliziert man als Schauplatz ausgerechnet die Ukraine. Das lässt sich zumindest durch Plattenbau und dem russischen Panzer im Bühnenbild vermuten. Das legt die von der Regie ungewollte (wie durch Zitate von ukrainischen Reportern und Regimegegnern Putins im Programmheft bewiesen wird) Deutung nahe, dass hier auch der Ukrainekrieg als Konflikt ohne klares Gut und Böse dargestellt wird, nicht wie einer, in welchem ein demokratischer Staat um sein Überleben kämpft. Hier wurden moderne Ereignisse also vielleicht etwas zu grob mit auf die Bühne integriert. Das ist umso frustrierender, da ohne diesen Bezug die Anti-Krieg-Message viel effektiver hätte sein können.

Aber wir wollen hier nicht negativ enden. Abgesehen von dieser kleinen anfänglichen Dissonanz, die man als Zuschauer schnell überwindet, gelingt Hannovers Romeo und Julia fantastisch. Eine mitreißende Geschichte wird hier in Hinblick auf Handlung, Schauspiel und Design genial neu erzählt, und manche Bilder aus der Aufführung schwirren mir auch nach Monaten noch durch den Kopf. Es ist wahrlich eine Adaption, die Shakespeare, Bellini, und der restlichen langen und ikonischen Geschichte dieses Stoffes triumphal gerecht wird.