Ein DSP-Kurs will “Romeo und Julia” auf die Bühne bringen, aber ständig fehlt jemand, die Rollentexte sind nicht gelernt und die Requisiten fehlen. Verzweifelt verhängt die Lehrerin eine Extraprobe am Freitagnachmittag. Und nun können selbst höhere Mächte und saure Gurken den beherzten Griff ins volle Menschenleben nicht mehr aufhalten. – So beschreibt Gabi Schrumpf das Stück, das sie mit einem ihrer DPS-Kurse auf die Bühne gebracht hat.
Wie die Einleitung andeutet, ist das Besondere an dem Stück das Spiel mit zwei Ebenen: Zum einen die klassische Romeo- und Julia-Problematik, zum anderen das Kämpfen mit der Motivation, dem Textlernen und dem Nicht-Weiterkommen, was besonders am Anfang thematisiert wird. Witzig zu sehen, wie die beiden Hauptdarstellerinnen Natascha Bibi Blaue und Enya Laun (Julia und Romeo sind doppelt besetzt) sich um einzelne Szenen fetzen wie die Furien, während die Romeodarsteller Gordin Winkler und Levin Gösta Stade sich mit zwei ruhigen Sätzen einig werden. Eindrucksvoll ist auch das Degengefecht zwischen Tybald (Seran Yasit) und Mercutio (Marvin Müller), das ähnliche Gefechte bei “Fluch der Karibik” in den Schatten stellt. Die größten Lacher provoziert mit Sicherheit Paris (Jonas Prüß), der mit “minimaler Körpersprache“ um Julia wirbt.
Die Aufführung fand bereits am 28. Februar statt.
In der HAZ/NP schrieb Susanne Hanke über die Aufführung:
Shakespeare hätte sich kringelig gelacht
Gymnasiasten inszenieren „Romeo und Julia“ im Kurt-Hirschfeld-Forum einmal ganz anders
Shakespeare hätte sich wahrscheinlich gekringelt vor Lachen – aber vermutlich auch respektvoll den Hut gezogen vor dem mutigen Auftritt der jungen Schauspieltruppe. Denn der Kurs Darstellendes Spiel des Gymnasiums Lehrte traute sich was und gab dem Klassiker „Romeo und Julia“ ein ganz persönliches Gesicht.
Sie seien am Boden zerstört gewesen, verriet Kursleiterin Gabriele Schrumpf, denn das ursprüngliche Projekt war gescheitert. Aber was danach bei der Theaterfreizeit in Albstadt entstanden ist, das hat dem Kurs den Titel „Die Unglaublichen“ eingebracht. Und es passierten dann auch unglaubliche Szenen auf der Bühne. Gleich mittendrin war das Publikum bei den vermeintlichen Proben für das Stück. Da wurde gestottert, der Text falsch gelesen, geflucht, um die Hauptrolle gestritten, und überhaupt schien das Team die Lust am Spiel zu verlieren. Wie sich aber aus diesem Chaos eine Annäherung an das klassische Liebesdrama entwickelte, wurde in vielen Einzelszenen manifestiert.
Da kannte der Einfallsreichtum der Truppe keine Grenzen, und durch die Doppelbesetzung der Hauptrollen ergaben sich ungeahnte Möglichkeiten. So wurde dem einen Romeo von dem anderen souffliert, der so nur die Gesten zum Text ausführte. Und ihm gegenüber Julia, die ebenso mit Gesten und souffliertem Text antwortete. Im weiteren Spiel erhielten beide jedoch wieder ihre eigenen Stimmen.
Der spielerische Umgang bezog sich genauso auf die Sprache, die von coolem Jugendslang bis zur stilvollen Rezitation der Originalverse reichte. Slapstickelemente, herrlich überdreht die Beinarbeit von Jonas Prüß als Paris, standen neben einem dramatischen Fechtduell, wobei die Kontrahenten Seran Yasit als Tybald und Marvin Müller als Mercutio ebenso wunderbar präzise Beinarbeit leisteten.
Kleine Gewürzgurken gegen Kater und Liebeskummer und ein durchgeknallter Drogendealer fanden ebenso Einlass in den Shakespeare-Klassiker. Ein leider sehr aktueller Bezug schlich sich mit den Darstellern der Seuchenbehörde ein. In roten Overalls und mit Schutzmaske wurde vor dem Desperado-virus gewarnt. Hier war jedoch alles zum Glück nur Theater. Sie hätten viel ausprobiert, Szenen gestrichen und improvisiert, um herauszufinden, was zu ihnen passt, erläuterte Gordin Winkler, der in der Rolle des Romeo vor allem auf exakte Gesten Wert legte.
So erlebten die Zuschauer ein Wechselbad darstellender Kunst, die neben den komödiantischen Szenen auch mit stillen, einfühlsamen Momenten punkten konnte und viel Beifall einheimste. (HAZ/NP: Susanne Hanke)