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Praktikum im Landtag

Praktikumsbericht zur Hospitation bei der Landtagsabgeordneten Thordies Hanisch (SPD) 23.9-27.9.2019: „Legislative“, ein Begriff, aufgegliedert in verschiedene Institutionen, durch Pfeile mit der Judikative und Exekutive verbunden. Aber was bedeutet der Begriff? Die meisten von euch werden jetzt wie aus der Pistole geschossen antworten: „Na, gesetzgebende Gewalt, das weiß man doch.“ Ja, das bedeutet der Begriff, aber was steckt eigentlich dahinter?

Es gibt Abgeordnete, denen wir durch unsere Wahlentscheidung das Recht geben, Entscheidungen zu treffen. Soweit war mir das klar, auch den Gesetzgebungsprozess haben wir im Politikunterricht besprochen. Aber so richtig vorstellen, wie der Alltag eines Abgeordneten aussieht, was innerhalb der Parlamentsgebäudes so alles passiert und wie Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik funktioniert, das konnte ich mir nicht. Als unser Politiklehrer Herr Bien dann auf die Aktion des Landtags „Schüler begleiten Abgeordnete“ hinwies, war mir sofort klar, das will ich machen und hoffentlich Antworten auf diese drei Fragen und auf viele mehr finden.

Ich werde nicht stumpf alles aufzählen, was ich wann wo gemacht habe. Berichten möchte ich von den Erkenntnissen, die ich in der Woche gewann, von den aufgelösten Fragen und von den neuen Blickwinkeln.

Um den Hospitationsplatz zu bekommen, habe ich mich auf der Seite des Niedersächsischen Landtags über das Programm informiert und dann direkt über die angegebene Mailadresse mit der Abgeordneten Kontakt aufgenommen. Frau Hanisch ist verheiratet, hat einen Sohn und sitzt sein November 2017 im Niedersächsischen Landtag.

https://www.landtag-niedersachsen.de/hospitation/

An meinem ersten Praktikumstag war ich bei der Eröffnung des Volkswagen Center of Excellence zur Fertigung von Batteriezellen für elektrobetriebene Fahrzeuge und bei der Sitzung der SPD Fraktion mit Vertretern des VW Betriebsrats zum Thema „Wandel der Industrie, wie gestalten wir das im Sinne der Arbeitnehmer und wie kann man Wirtschaft und Umweltschutz zukunftsfähig miteinander verbinden?“ Ich musste im Laufe dieser Termine zugeben, dass ich zum Teil unberechtigte Vorurteile gegenüber Wirtschaftsvertretern hatte. Die Ehrlichkeit, mit der Fehler eingeräumt und Entscheidungen erläutert wurden, haben mich positiv überrascht. Fazit für mich; die Politiker und Wirtschaftsvertreter sträuben sich nicht gegen Umweltschutzreformen, sie haben es nur schwerer als wir Bürger, die keine politische Verantwortung übernommen haben, denn sie sind verantwortlich für die Sozialverträglichkeit und Wirtschaftsverträglichkeit dieser Reformen, die wir zu häufig vergessen. Mir ist bewusst geworden, dass wir als Bürger nicht vergessen dürfen, woher unser Wohlstand kommt und was an einer drastischen Reform alles dranhängt. Damit will ich mitnichten sagen, diese seien übertrieben oder nicht notwendig und auch das Mobilisierung der Gesellschaft ist wichtig und richtig, nur der Ton, in dem kritisiert wird und unsere Vorurteile werden den Bemühungen der Politiker nicht gerecht.

Am nächsten Tag war ich bei einer Haushaltsberatung im Landwirtschaftsausschuss und konnte eine meiner Fragen beantworten. Dort trägt die Ministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) ihren Haushaltsplan vor und muss diesen dann gegen die kritischen Rückfragen des Ausschusses verteidigen, im Anschluss wird dann darüber diskutiert und Änderungsanträge gestellt, außerdem hat der Ausschuss über die sogenannte „politische Liste“, die Möglichkeit, selbst Geld für Projekte oder ähnliches auszugeben.

So arbeitet Exekutive und Legislative also zusammen, um zu entscheiden wo wie viel Steuergeld hinfließt.

Am Nachmittag habe ich noch an einer Arbeitskreissitzung teilgenommen. Dort treffen sich die Abgeordneten einer Fraktion (bei meiner Hospitation die SPD) und beraten über verschiedene Themen, die in der nächsten Ausschusssitzung auf der Agenda stehen. Dabei habe ich mitbekommen, wie unterschiedlich die Meinungen bereits innerhalb einer Fraktion sind. Zwar verbindet sie eine politische Überzeugung, doch bei einzelnen Themen sind trotzdem oft vollkommen konträre Ansichten vertreten.

Dabei habe ich verstanden, Politik besteht eigentlich nur aus der Suche nach dem besten Kompromiss, begonnen bei der eigenen Meinungsbildung des einzelnen Abgeordneten durch eigene Recherche, Termine mit Betroffenen und Experten oder die allgemeine Unterrichtung durch den wissenschaftlichen Dienst des Parlaments, über die Meinungsverschiedenheiten in der Arbeitskreissitzung, bis zur Debatte im Ausschuss, bei der ich am Freitag auch dabei sein konnte.

Ich konnte erleben, wie ein Gesetzesentwurf entsteht und welche Gremien sich dann in welcher Weise mit diesem beschäftigen und das Wort „gesetzgebende Gewalt“ hat für mich einen praktischen Bezug bekommen.

Des Weiteren habe ich den Alltag einer Abgeordneten miterlebt. Zu diesem gehören nicht nur Sitzungstermine und Öffentlichkeitspräsenz , auch die eigene Arbeit zu Fragestellungen und Recherche, Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen und Reden und sogar Medienarbeit gehört dazu. Zu meiner dritten Frage, zu der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik hatte ich am Mittwoch noch einige Erkenntnisse. An dem Tag hatte die SPD eine Veranstaltung zum Thema Wasserstoff als Ersatz für fossile Kohlenwasserstoffe und in der Mobilität. Dazu waren Vertreter der Stahl- und Chemieindustrie, der Photovoltaikindustrie, der Forschungsabteilung von VW, der Lufthansa und eines Unternehmens für einen wasserstoffbetriebenen Zug eingeladen. Eine Lobbyismusveranstaltung also – auch bei diesem Thema musste ich mir eingestehen, übertriebene Vorurteile und falsche Vorstellungen vom Lobbyismus gehabt zu haben. Keine Spur von Abneigung gegen Umweltreformen oder Beeinflussungsstrategien bei den Industrievertretern.

Mein Fazit dieser Veranstaltung, die Wissenschaft und Wirtschaft haben die Lösungsansätze, was fehlt sind die konkreten politischen Rahmenbedingungen und die Akzeptanz in der Bevölkerung, dass Umweltschutz nur mit Umstrukturierung aller Lebensbereiche und einem gewissen Maß an Verzicht gelingt. Die Dringlichkeit dieses Themas für die Wirtschaft war allen Beteiligten wider meinen Erwartungen sehr bewusst.

Ich wurde von der SPD Fraktion sehr freundlich aufgenommen und hatte auch die Möglichkeit mit vielen verschiedenen Abgeordneten zu sprechen und in den Pausen auch zu den Themen mitdiskutieren. Ich hatte ähnlich wie in der Schule einen Achtstundentag den ich aber variabel etwas verkürzen oder verlängern konnte, je nach dem Terminplan vom Frau Hanisch aber auch meinem eigenen. Wen es also interessiert, wie politische Entscheidungen entstehen, was sich hinter den ganzen theoretischen Begriffen aus dem Politikunterricht verbirgt, was Politiker für Aufgaben haben und ob deine Vorstellungen sich bewahrheiten oder vielleicht auch nicht, dem empfehle ich auch eine solche Hospitation zu machen! Für mich war es eine sehr lehrreiche und bereichernde Woche, die nicht nur viele Fragen beantwortet und neue Blickwinkel geschaffen hat sondern mich auch, durch viele Gespräche mit Frau Hanisch und anderen Politikern, persönlich weitergebracht hat. ( Elena Voß)