Im Februar waren alle 7. Klassen aus ganz Lehrte im Forum zu einem Theaterbesuch eingeladen, denn das Theaterensemble Radiks aus Berlin war zu Besuch. Den Auftakt machte das Gymnasium, im Anschluss waren die Haupt- und die Realschule zu Besuch und zum Abschluss gab es noch eine Vorstellung für die IGS.
Im Stück wurde das Auseinanderleben von alten Kinderfreund*innen und deren vorsichtige erneute Annäherung, kulturelle Unterschiede, Zukunftsperspektiven und Perspektivlosigkeit und vor allem das große Thema Respekt behandelt. Am Ende traten Fremdenfeindlichkeit und Offenheit vertreten durch die sehr unterschiedlichen Geschwister Monika und Joscha in einem Rap-Battle gegeneinander an.
Obwohl alle Rollen nur von zwei Schauspieler*innen gespielt wurden und manche Personen, gar nicht wirklich auftraten, waren alle Charaktere bunt und vielschichtig und gut dafür geeignet, sich selbst über die Themen, um die sich das Stück drehte, Gedanken zu machen. Dafür gab es nach dem Stück auch einen Austausch mit den beiden Schauspieler*innen, die sich den Fragen des Publikums stellten. Hier wurde sowohl Persönliches gefragt, aber auch philosophische, tiefsinnige Fragen waren dabei und zeigten, dass sich Viele wirklich Gedanken machten. Die Inhalte wurden auch im Werte- und Normen- und Religionsunterricht aufgegriffen und weiter diskutiert. (Pascale von Rohr)
Im Anzeiger Lehrte (HAZ) schrieb Sandra Köhler:
Ein Lehrstück für Heranwachsende
Lehrter Siebtklässler sehen Theateraufführung über Freundschaft, Stolz und Dazugehören
Das mit der Freundschaft ist so eine Sache. Einem Kind ist es ziemlich egal, wo seine Freunde herkommen. Aber wenn man älter wird, dann geht es plötzlich um Stolz, Ehre und das Dazugehören. Und da kann es schon einmal hart zugehen. Auch unter ehemals dicken Freunden.
Leichte Kost ist es wahrlich nicht, das Stück „Wir waren mal Freunde – Blick zurück nach vorn“, das das Ensemble Radiks allen Lehrter Siebtklässlern jetzt im Kurt-Hirschfeld-Forum serviert hat. Ausländerfeindlichkeit und Abziehen von Handys mit Messer an der Kehle, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit, zerbrochene Familien und Neid auf jene, denen die Hilfe scheinbar nur so zufliegt. All das bringen die Schauspieler Romana Schneider und Philipp Bodner auf die Bühne.
Sie tun das unmittelbar, mitunter mit drastischen Worten. „Spacken“ nennt der 16-Jährige Joscha etwa seinen Vater, der mit einer Blondine durchbrennt und ihn, seine Mutter und Schwester Monika ohne Geld zurücklässt. „Hurensohn“ wird der Sechsjährige deshalb in der Schule gehänselt. Und fragt, ganz naiver Grundschüler, seine Mutter zu Hause, ob sie das denn wirklich sei. Eine Hure. Kein Wunder, dass mit der Perspektivlosigkeit auch die Unzufriedenheit und die Anfälligkeit für radikale Strömungen wachsen. Aber deshalb ein Haus anzünden, nur weil darin Asylbewerber untergebracht werden sollen? So einer ist Joscha nicht. Dafür hat er, obwohl garantiert keine Heiliger, die Regeln seines Lieblingssportes Fußball viel zu sehr verinnerlicht: „Wir müssen doch alle miteinander klar kommen.“ Und trotz allen Misstrauens kommt er seiner Kindergartenfreundin, der Muslimin Melek, bei einer Projektwoche wieder näher. Das Ganze ist ein Lehrstück für Heranwachsende, die nach Orientierung in eine komplizierten Welt suchen. „Warum soll ich jemanden respektieren, wenn der mich nicht respektiert?“, stellt ein Mädchen bei der Diskussion nach dem Theaterstück eine nicht ganz einfache Frage. „Wenn du so jemandem mit Respekt begegnest, wirst du ihn verwirren, weil er nicht damit rechnet“, antwortet Schauspielerin Romana. Sie selbst habe in ihrer Jugend Erfahrung mit der linken und der rechten Szene gemacht, sagt sie. Insofern sei es ihr relativ leicht gefallen, sich in die Rolle der Monika zu versetzen. Mit Melek und ihrem Glauben habe sie sich auch intensiv beschäftigt. Engagiert hatten die Schauspieler die Lehrter Schulsozialarbeiter Manfred Günteroth, Pascale von Rohr, Corinna Gerardi, und Sozialpädagogin Yvonne Kriester. „Es geht um Gewaltprävention, das ist immer ein Thema, gerade am Schulzentrum Süd, wo Hauptschüler, Realschüler und Migranten zusammenkommen“, sagt Güntheroth. „Wir wollen sensibler machen, wie wir im Alltag mit anderen umgehen“, so Gerardi.
(Text und Artikelfoto: Sandra Köhler)