Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wir wollen Sie auf das in Kürze startende Theaterstück „Nathan der Weise“ einstimmen. Wer das Original von Lessing kennt, wird ungefähr wissen, was ihn erwartet. Diejenigen, die das Buch allerdings nicht gelesen haben, können sich auf hitzige Debatten rund um die drei Weltreligionen und einen überraschenden Ausgang freuen. Des Weiteren hat Herr Filsinger gemeinsam mit der Theater AG auch ein paar Neuerungen bzw. Änderungen vorgenommen und somit das Stück erfolgreich in unsere Zeit geholt. Denn obwohl das Original aus dem Jahr 1783 stammt, könnte das Thema und seine Kernaussage kaum aktueller sein. Gerade aufgrund der Flüchtlingskrise ist die Angst vor dem Unbekannten in den letzten Jahren wieder gestiegen. Genau diese Angst führt letztendlich zu Wut und zu Hass in unserer Gesellschaft. Gerade am Anfang des Stücks sind deswegen viele altbekannte Parolen wiederzufinden.
Besondere Bedeutung hatte im Original die „Ringparabel“ und auch in dieser Neuauflage spielt sie eine entscheidende Rolle. Die „Ringparabel“ löst gewissermaßen den Konflikt, welchen die Weltreligionen miteinander teilen. Welche Religion ist die einzig wahre? Dieser Konflikt ist allgegenwärtig und wird durch den Schauplatz Jerusalem noch auf die Spitze getrieben, denn dort hat bekanntermaßen jede der drei Weltreligionen seine heiligen Ursprungsstätten. Somit treffen alle drei hier historisch aufeinander.
Nathan liefert mit der erwähnten „Ringparabel“ einen Ansatz, wie dieser Konflikt zu lösen ist. Zusätzlich sorgt auch der weitere Verlauf des Stücks für einen „Aha-Moment“, in welchem wir womöglich erkennen, dass wir Menschen uns selbst evtl. die Barrieren geschaffen haben, die dafür sorgen, dass wir uns mit Misstrauen begegnen; ja im schlimmsten Fall sogar mit Hass.
Trotz der ernsten und wichtigen Themen wünschen wir Ihnen viel Spaß bei der Aufführung und vergessen Sie nicht die tolle Leistung der gesamten Theater AG zu honorieren.
Besonderheiten der Inszenierung
Das Drama „Nathan der Weise“ spielt in der Originalfassung zur Zeit der Kreuzzüge. Gotthold Ephraim Lessing geht auf kritische Themen im Zusammenhang mit Religionen und der Frage nach der „wahren“ Religion ein. In dieser Inszenierung hat sich das Team um Manfred Filsinger das Ziel gesetzt, diese Themen an das heutige Publikum anzupassen. Merkmale dieser Modernisierung sind vor allem einige Änderungen an Handlungsablauf, Setting und Charakterkonstellation.
Beispielsweise sind Kurt von Stauffen und seine Gefolgschaft im Original Kreuzritter und in der Neuinszenierung Neonazis. Aufgrund dessen nehmen sie Gebrauch von modernen Mitteln wie Schusswaffen und Molotowcocktails. Zusätzlich wurde eine neue Figur „Rebecca“ eingefügt, die die beste Freundin von Recha verkörpert. Diese besitzt ein Internetcafé, welches ein modernes Setting herbeiführt. Ein Pizzalieferant trägt weiterhin dazu bei, diese Modernisierung dem Publikum zu vermitteln.
Während der Vorführung wird die sog. „ 4. Wand“ durch den Assistenten des Sultans durchbrochen, indem er das Publikum direkt anspricht. Besonders hervorzuheben ist die Rolle des Sultans Saladin, die von dem syrischen Flüchtling Asaad Rasho gespielt wird. Asaad lebt gerade einmal seit 3 Jahren in Deutschland.
Besetzungsliste
Nathan – Thore Meiwes
Saladin – Asaad Rasho
Sitha – Hilke Böttcher
Recha – Johanna Lucks
Daja – Sophia Huwald
Rebecca – Vivien Reiter
Al Hafi – Felix Jaros
Stauffen – Felix Jarick
Radikalisierter 1 – Alex Hall
Radikalisierter 2 – Lennart Katz
Securitymänner – Alex Hall, Lennart Katz
Pizzalieferant – Alex Hall
Bühnenbild
“Pimp-up-your-school”-AG von Frau Lamker
Licht und Ton
Pierre Wehlauer
Regie, Textvorlage
Manfred Filsinger
In Kooperation:
Berufliches Gymnasium der BBS Burgdorf, Leistungskurs Deutsch 12. Jahrgangsstufe unter der Leitung von Frau Wenskowski
Interviews mit den Darstellern
Nathan (Thore Meiwes):
Wieso und wann bist du der Theater-AG beigetreten?
Antwort:
,,Ich bin bereits seit der achten Klasse in der Theater-AG. Damals war der entscheidende Faktor, dass ich im Urlaub beim Theater mitgemacht habe, woraufhin meine Mutter mir dazu geraten hat, der Theater-AG beizutreten.“
Gab es Momente in denen du keine Lust mehr auf das Theaterstück hattest?
Antwort:
,,Ich glaube ich spreche für viele Leute; das ganze Jahr war nicht so einfach, denn es ist ja wirklich ein schweres Stück. Zusammen mit Herrn Filsinger haben wir den Text selbst geschrieben, was natürlich sehr anstrengend war.
Jeder hatte mal so einen kleinen Tiefpunkt, wo die Motivation fehlte. Doch sobald man das Stück einmal durchspielt, weiß man, dass es sich gelohnt hat.“
Recha (Johanna Lucks):
Hattest du Probleme mit dem Lernen des Textes oder hattest du besondere Tricks?
Antwort:
,,Eigentlich nicht, wenn man gemeinsam die Texte lernt und übt, ist es halb so schlimm.“
Was ist deine Lieblingsszene?
Antwort:
,,Die Szene, in der ich Stauffen mit meiner Handtasche verprügele, weil es Spaß macht seine ganze Energie rauslassen zu können.“
Saladin (Asaad Rasho):
Kannst du dich persönlich mit der Machofigur Saladin identifizieren?
Antwort:
,,Ich denke, ich bin selber kein Macho, aber wir wollten diese Eigenschaft zugunsten der Unterhaltung hervorheben.“
Rebecca (Vivien Reiter)
Was ist die Kernaussage des inszenierten Stückes deiner Meinung nach?
Antwort:
,,Egal welcher Religion man angehört, jeder sollte akzeptiert und toleriert werden. Außerdem sollte man nicht voreingenommen über andere Menschen urteilen.“
Manfred Filsinger (Gesamtverantwortung):
Wie würden sie die Zusammenarbeit mit den Schülern über den gesamten Verlauf bewerten?
Antwort:
,,Ich mache jetzt schon viele Jahre Theater und der Verlauf ist häufig ähnlich. Anfangs hatten wir eine Phase, in der wir alle ziemlich gespannt und motiviert waren dieses Stück auszuarbeiten. Ab und zu fielen wir in ein kleines Loch, wodurch wir als Gruppe zusammenwachsen mussten, da hat es natürlich ab und zu mal „geknirscht“.
Doch trotz allem war die Erarbeitung des Stückes erfolgreich und wir fiebern der großen Aufführung entgegen.“
Hintergrundinformation
Inhalt des Buches „Nathan der Weise“
Nathan, ein reicher Jude, ist gerade von einer Geschäftsreise in seine Heimatstadt, das Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge, zurückgekehrt. Er erfährt, dass seine Tochter Recha von einem Tempelherrn vor dem Feuertod gerettet worden ist. Dieser Tempelherr, Angehöriger eines christlichen Ordens, verdankt selbst sein Leben der unerwarteten Begnadigung durch den Sultan Saladin, der beim Anblick des jungen Mannes dessen Ähnlichkeit mit seinem verstorbenen Bruder Assad bemerkt. Nathan bewegt den Tempelherrn dazu, seiner Tochter Recha einen Besuch abzustatten und ihren Dank entgegenzunehmen. Sultan Saladin, der die Freigiebigkeit und die Klugheit des Juden Nathan auf die Probe stellen will, fragt Nathan nach der “wahren Religion.” Nathan antwortet ihm mit der Ringparabel: Ein König hatte einen Ring, der die Eigenschaft besaß, seinen Träger “vor Gott und Menschen angenehm zu machen.” Um seine drei Söhne gleichermaßen zu Erben zu machen, lässt der König zwei Duplikate des Rings anfertigen und übergibt vor seinem Tod jedem Sohn einen Ring. Als unter ihnen ein Streit über den echten Ring entsteht, schlichtet ein kluger Richter den Streit, indem er jeden der drei auffordert, “die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag zu legen”, also durch praktische Humanität und mitmenschliches Verhalten die dem Ring zugeschriebene Wirkung zu verwirklichen. Der tief beeindruckte Sultan trägt dem Juden seine Freundschaft an. Der Tempelherr verliebt sich unterdessen heftig in Nathans Tochter Recha und begehrt sie zur Frau, doch Nathan, der einen nahen Verwandten in ihm vermutet, verweigert ihm dies. Als der Tempelherr erfährt, dass Recha gar nicht die Tochter Nathans, sondern ein christlich getauftes Waisenkind ist, wendet er sich an den Patriarchen von Jerusalem. Der will Nathan mit einer Intrige zu Fall bringen… und so nimmt das Spiel dann seinen Lauf…
Epoche
Als Aufklärung wird die geschichtliche Epoche des 18.Jahrhunderts bezeichnet, in der die Vernunft die vorherrschende Kraft war, und in der viele Veränderungen auf philosophischer und sozialer sowie politischer Ebene vor sich gingen. Die typischen Merkmale der Epoche der Aufklärung sind unter anderem die starke Denkbewegung während des 17. Jahrhunderts. Auf allen Gebieten fanden Umschwünge und Bewegungen statt. Die Philosophie, Soziologie und Politik veränderten sich. Es wurde hinterfragt und das Denken und das Zweifeln wurde zur Tugend. Es wird gefordert, dass die Religion toleriert wird und es soll keine Konzentration auf das Leben nach dem Tod geben. Die Epoche der Aufklärung hatte den Grundgedanken der Emanzipation des Denkens.
Autor
Gotthold Ephraim Lessing, der Autor des Buches „Nathan der Weise“, auf dem dieses Theaterstück basiert, wurde am 22. Januar 1729 in Kamenz geboren. Er war ein bedeutender Dichter, Literaturtheoretiker und Philosoph der deutschen Aufklärung. Er agierte als einer der ersten modernen deutschen Schriftsteller. Nach dem Tod seiner Frau, Eva König, im Jahr 1778 folgte eine Auseinandersetzung mit seinem Schriftstellerkollegen Johann M. Goeze. In Folge dieser wurde Lessing die Zensurfreiheit entzogen, weswegen er seine Aussagen in eine Geschichte verpacken musste. Er gestaltete diese mit klarem, ironischem Sprachstil. Auf dieses Verbot hin schrieb er das Buch „ Nathan der Weise“. Am 15.02.1781 verstarb Lessing in Braunschweig.
Gotthold Ephraim Lessing war ein Vertreter der aufklärenden Idee. Toleranz, Freiheit und Menschlichkeit waren die Aspekte, die ihn antrieben. Er war der einzige deutsche Aufklärer von europäischem Rang.
Alle Texte entstammen dem Programmheft!