Lara Schulze, Schülerin der Klasse 9e, nahm an der Schach-Weltmeisterschaft in Sibirien teil, die in diesem Jahr zwei Wochen lang von Mitte September bis Anfang Oktober im russischen Khanty-Mansiysk stattfand. Sie startete als einzige Deutsche in der Altersklasse U14 weiblich. Insgesamt reisten neun deutsche Spieler nach Russland, die jeweils in den anderen Altersklassen spielten, dazu kamen noch vier Trainer.
Hier berichtet Lara von ihrer spannenden Unternehmung:
Die Reise nach Khanty-Mansiysk war sehr weit und umständlich. Die deutsche Delegation traf sich am Frankfurter Flughafen, um von dort gemeinsam zu starten. In Moskau war ein zehnstündiger Zwischenaufenthalt, der zur Zeitüberbrückung mit einer kleinen Stadtrundfahrt wenigstens zum Teil ausgefüllt wurde: der Kreml, die Kirchen, in denen die Zaren gekrönt wurden, der Rote Platz, das Gum, Europas größtes Kaufhaus und die 7-spurigen Straßen vermittelten einen Eindruck von der 15-Millionen-Stadt. Das Problem daran war nur, dass man dabei schon viele Reisestunden hinter sich, und vor allem noch vor sich hatte.
Nach immer noch langer Wartezeit am Flughafen ging es von Moskau weiter nach Khanty-Mansiysk, wo nach 24 Stunden Reisezeit (von Frankfurt aus gerechnet) gerade der Tag anfing und nicht viel Zeit zum Ausruhen blieb. Khanty-Mansiysk liegt am Fluss Irtysch, ca. 600 Kilometer östlich des Uralgebirges, am 22. nördlichen Breitengrad (wir sind ca. 52. Breitengrad). Dort herrscht kontinentales Klima. Anfangs war es mit 10 Grad Tagestemperatur noch sehr mild, dann wurde es aber von Tag zu Tag kälter mit Tagestemperaturen um die Null Grad. Von Oktober bis April ist dort Eis und Schnee mit Temperaturen von minus 20 bis minus 30 Grad. Zum Glück war diese extreme Kälte während meines Aufenthaltes noch nicht vorhanden. Die Spieler aller Nationen waren in einem riesigen Hotelkomplex gemeinsam untergebracht. Überall hörte man die unterschiedlichsten Sprachen; gegenüber von meinem Zimmer wohnten Spieler aus Indien, neben mir Spieler aus dem Iran und aus Griechenland. Dadurch kam ein sehr gemeinschaftliches Gefühl auf.
Das Hotel wurde extra für große Sportveranstaltungen gebaut und ist für normale Reisende nicht buchbar. Khanty-Mansiysk ist bekannt durch große Sportveranstaltungen im Bereich Schach und Biathlon. 2010 fand dort die Schach-Olympiade statt, 2020 wird sie dort wieder stattfinden. Schach hat in Russland einen sehr hohen Stellenwert, wird sehr gut gefördert und ist sogar ein Pflichtfach in der Schule.
Das Land hat sich mit der ganzen Meisterschaft sehr viel Mühe gegeben. Es gab eine beeindruckende Eröffnungsfeier und Siegerehrung, mit russischen Tänzern und Sängern. Alles war sehr gut organisiert und funktionierte reibungslos. Die Spieler der Weltmeisterschaft kamen aus 60 Nationen. Es waren insgesamt 550 Teilnehmer, in meiner Altersklasse, der U14 weiblich, waren es 71. Meine Gegnerinnen kamen aus Norwegen, Belgien, Frankreich, Italien, Vietnam, Slowakei, USA, Russland und aus der Ukraine. Die Tage dort waren von früh morgens bis spät abends ausgefüllt mit Schach und sehr anstrengend. Nach dem Frühstück bereitete ich mich immer mehrere Stunden lang auf die nächste Gegnerin vor und trainierte gemeinsam mit dem Bundesnachwuchstrainer, der mich vor Ort betreut hat. Von jedem Schachspieler stehen die Partien von wichtigen Meisterschaften online und man kann deren Stärken und Schwächen studieren und somit schon Pläne für die anstehende Partie entwickeln. Täglich begann die Runde um 15 Uhr, man wurde mit dem Bus vom Hotel zum Spielort gebracht. Eine Schachpartie dauerte bei mir immer ca. fünf Stunden, so dass es dann abends recht spät wurde. Nach dem Abendessen wurde die Auslosung, also die Gegnerin des nächsten Tages, bekannt gegeben, sodass am nächsten Morgen der Tagesablauf wieder von vorne begann. Das Turnier hatte insgesamt 11 Runden, und hätte es keinen freien Tag in der Mitte der Meisterschaft gegeben, dann hätte ich wohl die Stadt auch nicht gesehen.
Der Spielort war eine riesige Tennisarena, recht neu und schick, mit einer großen Tribüne ringsherum. Alle 550 Teilnehmer haben in einer Halle gespielt, das war ein tolles Gefühl. Zuschauer waren nur auf der Tribüne erlaubt und die vielen Schiedsrichter und Security-Leute sorgten die ganze Zeit für absolute Ruhe und Ordnung.
Ich habe 5,5 Punkte aus 11 Runden erreicht; diese Punkte waren hart erkämpft, denn jedes Land schickt ja immer seinen besten Spieler. Ich habe damit einen mittleren Platz belegt (Platz 37 von 71). Mit dieser Platzierung bin ich zufrieden; mein Ziel war es, es bis zur Weltmeisterschaft zu schaffen und mich dorthin zu qualifizieren, so dass die Platzierung ein eher zweitrangiges Ziel bildet. Weltmeisterin ist eine Chinesin, Platz zwei eine Russin und Platz 3 ein Mädchen aus den USA.
Nachdem ich in den letzten beiden Jahren schon an den Weltmeisterschaften in Südafrika (2014) und Griechenland (2015) teilgenommen habe, war auch diese WM in Sibirien ein tolles und beeindruckendes Erlebnis für mich.
Weitere Informationen: http://wy2016.fide.com
Lara vor dem Spielort Lara gegen Vu Thu Hien Nguyen aus Vietnam